Demokratie. Eine kleine Polemik

Wirklich, ich kann es nicht mehr hören. Wenn es in Analysen vor und nach Wahlen, in denen anti-demokratische Kräfte zulegen, mal wieder heißt: Die anderen Parteien hätten „auf die falschen (häufig: zu ‚woken‘) Themen“ gesetzt. Politiker:innen hätten „die Bürgerinnen und Bürger nicht abgeholt, wo sie stehen“. Die Sachverhalte wären „nicht richtig erklärt“ worden, und überhaupt hätte man „die Sorgen der Leute nicht ausreichend ernst genommen“. Spätestens seit dieser unsäglichen Wahl am 5. November dürfte auch den Letzten klar sein: Wenn es jemanden gibt, der sich offenbar überhaupt nicht um die wirklichen Sorgen der Menschen kümmert, dann jene Menschen selbst. Das „Volk“ – dieser angebetete und gefürchtete, dieser selbstherrliche Popanz – sieht nämlich so aus: Menschen in prekären Verhältnissen wählen jemanden, der sich eigentlich nur um die Reichen schert (darunter: vor allem sich selbst); Menschen mit Migrationshintergrund wählen jemanden, der sie für wesenhaft kriminell hält (und letztlich effektiv für Menschen zweiter Klasse); und Frauen wählen jemanden, der sie mit einer Selbstverständlichkeit zu Objekten degradiert, mit der andere abends den Fernseher einschalten. Dafür sind nicht die Parteien verantwortlich. Diese Verantwortung trägt „das Volk“ schon selbst.

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