Im Oktober ist es passiert: Mit zitternden Fingern habe ich die Doktorarbeit in ein pdf verwandelt und zum Druck gegeben. Ein sehr gutes Gefühl, über das man gar nicht mehr Worte verlieren muss (vor allem, weil das Loch danach nicht lange hat auf sich warten lassen (jetzt aber zum Glück wieder überschritten ist))… Außer: Wer etwas über die Praxis in Parlamenten wissen möchte, muss natürlich unbedingt diese Arbeit lesen. Bei beginnender Neugierde bezüglich des Inhalts bitte hier klicken.
Bourdieu
Politische Arbeit in Parlamenten
Promotionsprojekt
2010-2015
Die soziologische Perspektive auf Politik ist unscharf. Häufig wird Macht mit Politik in eins gesetzt, werden Herrschaftsphänomene zur Essenz des Politischen erklärt. Was man dadurch übersieht zeigt der praxistheoretische Zugang, den ich in meiner Doktorarbeit entwickle. Dieser macht politische Praxis als distinkte soziale Praxis erfassbar, in der Machtphänomene (wie überall sonst auch) zwar eine Rolle spielen, die sich aber vorrangig durch den konstitutiven Impuls zur gerichteten Einflussnahme auf gesellschaftliche Bedeutungsordnungen auszeichnet. Oder, mit Pierre Bourdieu gesprochen: Das politische Feld wird als ein Feld der kulturellen Produktion erkennbar, dessen spezifische Leistung mit der Hervorbringung von “idées forces” – also mit Mobilisierungskraft versehener symbolischer Gehalte – markiert ist. Eine ethnographische Studie auf vier parlamentarischen Ebenen, bei der ich mehrere Abgeordnete jeweils über eine Woche hinweg beim gesamten Spektrum ihrer Arbeitstätigkeit begleitet habe, ermöglicht es mir, den Prozess der Hervorbringung derart wirkmächtiger Ideen im politischen Geschehen zu rekonstruieren. Denn es handelt sich tatsächlich um einen Vorgang aktiver Hervorbringung: Nicht “Entscheidung” zwischen bereits vorhandenen symbolischen Gehalten ist die zentrale Leistung politischer Akteure, sondern vielmehr die Produktion derselben – sie sind ArbeiterInnen an der Bedeutungsordnung der Gesellschaft. Zentrales empirisches Ergebnis meiner Dissertation ist ein Modell dieser politischen Arbeit, wobei die Rede von “der” politischen Arbeit genau genommen irreführend ist: Es zeigen sich drei verschiedene Arbeitsmodi, die ich als “politisches Spiel”, “Themenabfertigung” und “politische Gestaltung” bezeichne. Welcher dieser Modi zum Einsatz kommt hängt von der (konstruierten) Relevanz und Dringlichkeit des jeweils aktuellen Themas ab. Wie ich in meiner Arbeit ausführlich beschreibe, sind die Arbeitsprozesse selbst dabei sehr unterschiedlich, das Ziel allerdings bleibt stets das gleiche: In der dialektischen Verbindung von symbolischer Neuheit und symbolischem Bestand soll Evidenz erzeugt werden – jene unmittelbare Einsichtigkeit einer Idee also, die erst die Bedingung gesellschaftlicher Mobilisierung darstellt.