Forschungskolloquium “Die Praxis der Politik” März 2015

Nachdem ich vier Jahre lang an meinem eigenen Zugang zum soziologischen Gegenstandsbereich Politik gearbeitet und bei der Suche nach Gleichgesinnten immer wieder (aber nicht nur – danke, Thomas und liebe Mitglieder im Frankfurter AK, vor allem Sebastian, Jan, Endre, Stefan!) frustriert ins Leere gegriffen habe, wollte ich die Sache doch nochmal etwa aktiver ausloten. Mit Unterstützung der Studienstiftung des deutschen Volkes (Veranstaltungslinie “Stipendiaten machen Programm”) und des Münchner Soziologielehrstuhls von Armin Nassehi habe ich eine kleine Nachwuchstagung organisiert, in der es ganz gezielt um die praxistheoretische Auseinandersetzung mit dem Politischen ging. Hier das Tagungsprogramm zum Ansehen:
PDF_LMU TAGUNGSFOLDER BRICHZIN_B_Seite_1Die Tagung hat zwar nicht mit einem Schlag alle Fragen geklärt, die man bezüglich eines praxistheoretischen Zugangs zur Politik haben kann (das wäre wohl auch etwas arg viel verlangt), war dafür aber Ausgangspunkt vieler spannender Diskussionen und einiger ganz toller neuer Bekanntschaften, die bis heute andauern. Juhu!
Wer Interesse hat, kann hier auch noch in den Abschlussbericht zur Tagung reinlesen:
PraxisDerPolitik_Abschlussbericht

Politische Arbeit in Parlamenten

Promotionsprojekt
2010-2015
Die soziologische Perspektive auf Politik ist unscharf. Häufig wird Macht mit Politik in eins gesetzt, werden Herrschaftsphänomene zur Essenz des Politischen erklärt. Was man dadurch übersieht zeigt der praxistheoretische  Zugang, den ich in meiner Doktorarbeit entwickle. Dieser macht politische Praxis als distinkte soziale Praxis erfassbar, in der Machtphänomene (wie überall sonst auch) zwar eine Rolle spielen, die sich aber vorrangig durch den konstitutiven Impuls zur gerichteten Einflussnahme auf gesellschaftliche Bedeutungsordnungen auszeichnet. Oder, mit Pierre Bourdieu gesprochen: Das politische Feld wird als ein Feld der kulturellen Produktion erkennbar, dessen spezifische Leistung mit der Hervorbringung von “idées forces” – also mit Mobilisierungskraft versehener symbolischer Gehalte – markiert ist. Eine ethnographische Studie auf vier parlamentarischen Ebenen, bei der ich mehrere Abgeordnete jeweils über eine Woche hinweg beim gesamten Spektrum ihrer Arbeitstätigkeit begleitet habe, ermöglicht es mir, den Prozess der Hervorbringung derart wirkmächtiger Ideen im politischen Geschehen zu rekonstruieren. Denn es handelt sich tatsächlich um einen Vorgang aktiver Hervorbringung: Nicht “Entscheidung” zwischen bereits vorhandenen symbolischen Gehalten ist die zentrale Leistung politischer Akteure, sondern vielmehr die Produktion derselben – sie sind ArbeiterInnen an der Bedeutungsordnung der Gesellschaft. Zentrales empirisches Ergebnis meiner Dissertation ist Modell PolArbeitein Modell dieser politischen Arbeit, wobei die Rede von “der” politischen Arbeit genau genommen irreführend ist: Es zeigen sich drei verschiedene Arbeitsmodi, die ich als “politisches Spiel”, “Themenabfertigung” und “politische Gestaltung” bezeichne.  Welcher dieser Modi zum Einsatz kommt hängt von der (konstruierten) Relevanz und Dringlichkeit des jeweils aktuellen Themas ab. Wie ich in meiner Arbeit ausführlich beschreibe, sind die Arbeitsprozesse selbst dabei sehr unterschiedlich, das Ziel allerdings bleibt stets das gleiche: In der dialektischen Verbindung von symbolischer Neuheit und symbolischem Bestand soll Evidenz erzeugt werden – jene unmittelbare Einsichtigkeit einer Idee also, die erst die Bedingung gesellschaftlicher Mobilisierung darstellt.

Im Sog des Politischen – die Bindung zwischen dem politischen Feld und seinen Akteuren am Beispiel der BürgermeisterInnen

Lehrprojekt
2013-2016
Wie gelangen Akteure in gesellschaftliche Felder, aber vor allem: Warum bleiben sie dort? Diese Frage stellt sich insbesondere für das politische Feld, von dem die praxistheoretische Forschung ein äußerst unattraktives Bild zeichnet: Zur so typischen inhaltlichen und zeitlichen Überfrachtung der politischen Akteure kommt noch normative Überforderung, Unvereinbarkeit mit dem Privatleben sowie hohe Konfliktprävalenz. Nicht umsonst fragt Ruth Wodak: “Why would rational and educated people apply for such a job?” In diesem Lehrforschungsprojekt gehen wir jener Frage nach, indem wir Interviews auswerten, die wir mit BürgermeisterInnen – der wohl größten Gruppen professioneller politischer Akteure – geführt haben. Wir erhoffen uns davon nicht nur Aufklärung in Bezug auf die spezifischen Bindungsbedingungen des politischen Feldes, sondern auf theoretischer Ebene auch Einsichten zum soziologisch so zentralen Verhältnis von Struktur und Akteur.