Meine Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Soziologische Theorie und Politische Soziologie. Politiksoziologisch interessiere ich mich insbesondere für

a) demokratische Praxis, zum Beispiel in politischen Institutionen wie Parlamenten oder Parteien, aber auch in Stadtgesellschaften wie etwa in Chemnitz (wo auch die Grenzen des Demokratischen aufscheinen);

b) politische Epistemologie, also den Einfluss, den gesellschaftliche Denkordnungen auf Politik haben (man denke beispielsweise an Diskussionen rund um das ‘postfaktische Zeitalter’) – und umgekehrt;

c) das politische Imaginäre, also die Bilder, die sich Gesellschaft (darunter die politischen Akteur:innen selbst) von Politik macht.

Meine sozialtheoretischen Forschungsinteressen hängen teilweise eng mit den politiksoziologischen zusammen (was sich bereits am Fokus auf politische Epistemologie erkennen lässt) und konzentrieren sich insbesondere auf

a) anti-essentialistische Theoriebildung (bzw. ‘Theorizing’), also Formen der Theoriebildung, die im Zusammenhang mit den Diskussionen rund um das ‘postfaktische Zeitalter’ problematisiert worden sind;

b) sozialen Wandel, insofern es um die Konzeptionierung widersprüchlicher bzw. paradoxer Prozesse, nicht intendierter Nebenfolgen und Diskontinuitäten geht;

c) bestimmte Theoretiker:innen, die ich besonders spannend finde – derzeit zum Beispiel Hannah Arendt, Pierre Bourdieu, Bruno Latour, Theodor Adorno, Karl Popper…

Außerdem bin ich begeisterte empirische Sozialforscherin, mit viel Erfahrung in Sachen Ethnografie, aber auch qualitativer Interviewforschung, Dokumentenanalyse usw. Im Folgenden sind meine bisherigen Forschungsprojekte aufgelistet.

Kritik anti-essenzialistischer Soziologie

DFG-Projekt (Projektnummer 443532822)

ab 2020

Das Forschungsprojekt geht von der These aus, dass Gesellschaft gegenwärtig in einer Geltungskrise steckt. Demnach ist unklar geworden: Welchen Aussagen von wem kann man wann und unter welchen Bedingungen folgen? Zwar ist das Ringen um gültige Aussagen gesellschaftlich natürlich nichts Neues, politische Auseinandersetzungen etwa drehen sich von jeher genau darum. Im Rahmen der Debatten rund um das „postfaktische Zeitalter“ scheint solchem Ringen jedoch eine neue Qualität zuzukommen: Nicht nur, dass es schwieriger geworden ist, eine Einigung zu erzielen – das Ziel der (beispielsweise argumentativen) Einigung selbst scheint an Relevanz verloren zu haben.

Vor diesem Hintergrund kommt der Auseinandersetzung mit anti-essenzialistischem Denken eine besondere Bedeutung zu, denn entsprechende Wissenschaftsdiskurse werden immer wieder mitverantwortlich gemacht für die Ausbreitung postfaktischer Tendenzen in der Gegenwart.

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“Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft” – eine persönliche Rezension

antiWeil ich mich momentan für die Stellung des Menschen in der Sozialtheorie interessiere, interessiere ich mich auch für Bruno Latour. Weil Latour ein Buch geschrieben hat, in dem er den Versuch unternimmt, seine – sich gängigen Anthropozentrismen verwehrende – Sozialtheorie systematisch darzulegen, habe ich das also jetzt mal gelesen (zumindest in großen Teilen). Und weil ich es wirklich in vielerlei Hinsicht inspirierend bzw. interessant – wie wir gleich noch erfahren werden eines der wichtigsten Erkenntniskriterien bei Latour – fand, versuche ich hier, meine Gedanken dazu ein wenig zu ordnen. Also: los geht’s.

Sehr konsequent entfaltet Latour in “Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft” seinen – ist es Sozialtheorie? ist es Sozialontologie? ist es Sozialmethodologie? – Ansatz zur Beschäftigung damit, was er als “Soziales Nr. 2” bezeichnet.  Mehr lesen

Und nochmal: auf ‘ner Netzwerktagung

Nach der Tagung “Netzwerke in gesellschaftlichen Fel2016-12-05 12.19.21dern” vom vergangenen Mai jetzt also “Der Stand der Netzwerkforschung” von 5. bis 6. Dezember in Darmstandt: ein historisches Event, all inclusive mit Gründung einer “Gesellschaft für Netzwerkforschung”… Und in der Schader-Stiftung, die eine wirklich sehr kleidsame Treppe in einen der Vortragsräume gestellt hat:

Einen Vortrag habe ich diesmal nicht gehalten – mein Ziel war eher, die Veranstaltung zu einer vorläufig abschließenden Reflexion zu nutzen, was Beziehungen und Netzwerke angeht (ein Thema, das mich jetzt schon seit Jahren mit unklarem Effekt verfolgt): Was genau ist eigentlich gemeint, wird der “relationale Blick” betont, den die Netzwerkforschung auf das Soziale eröffnet? Was wird eigentlich kritisiert, wenn man den Gebrauch des Netzwerkbegriffs außerhalb der SNA (social network analysis)-community als bloß “metaphorisch” problematisiert? Und wie kann man sich – rein unter erkenntnistheoretischer Hinsicht – eine “antikategorial” verfahrende soziologische Forschungspraxis vorstellen? An dieser Stelle bin ich noch nicht in der Lage, das weiter auszuführen (an einem kleinen Text habe ich mich schon versucht, der ist aber absolut noch nicht vorzeigbar) – vielleicht gelingt das ja in der kommenden Zeit noch. Mehr lesen

Chemnitz – Manifestationen des Politischen

2018-2020

Chemnitz – seit den Ereignissen im August 2018 steht der Name einer Stadt für den Moment, in dem rechte Aggression sich in aller Öffentlichkeit weitgehend ungehindert Raum verschaffen konnte. Warum passiert das in Chemnitz? Das ist die Ausgangsfrage unseres qualitativ explorativen Forschungsprojekts. Bisher werden zur Beantwortung dieser Frage vor allem Statistiken konsultiert, Umfragedaten ausgewertet, Zahlen verglichen – wer wählt welche Partei, wie steht es um die Bilanz der Gewaltdelikte, welche rechten Vereinigungen gibt es in Chemnitz und wie viele Mitglieder haben sie, was sagt die Einkommensverteilung, und wie viele Menschen mit Migrationshintergrund leben hier überhaupt? Antworten auf diese Fragen sollen anstelle von Vermutungen echte Erklärungen für die Ereignisse in Chemnitz liefern, und tatsächlich leisten statistische Erkenntnisse genau dazu unabdingbare Beiträge. Zugleich können sie allerdings ebenso Relevantes gerade nicht beantworten – die Frage nämlich, inwiefern Chemnitz derzeit eine besondere Arena der Politisierung und Polarisierung jenseits klassischer institutioneller politischer Formen darstellt, mithin, wie tiefgreifend der öffentliche Alltag erfasst wurde. Mehr lesen

Daytrip to Chemnitz

Vor zwei Tagen durfte ich in Chemnitz einen kleinen Gastvortrag halten, den Chemnitzer Studis ein bisschen was über Parlamente erzählen. Das war sehr nett – nicht nur, weil ich im Anschluss des nächtens von den lieben Chemnitzer KollegInnen sogar noch am Karl (siehe Impression rechts) vorbeigefahren wurde. Und auch nicht nur (aber auch 🙂 ), weil MarxGekritzelich als “eine der führenden ParlamentssoziologInnen in Deutschland” vorgestellt wurde (dass es kaum SoziologInnen gibt, die sich mit Parlamenten auseinandersetzen, es also nicht schwierig ist, “führend” zu sein, kann man an dieser Stelle ja vornehm verschweigen…). Schon die Diskussion im Anschluss an den Vortrag war witzig: es ging viel um die Frage, was man denn wie ändern müsste, damit das mit dem Verhältnis Politik und Gesellschaft besser funktioniert? Da ist man auf einmal selbst politisch gefragt, eine neue Perspektive auf das Politische ist zu entwerfen. Es stellt sich ein Gefühl dafür ein, wie das für PolitikwissenschaftlerInnen immer sein muss, bei denen die Trennung zwischen Wissenschaft und Politik ja nicht selten (und nicht selten polemisch) hinterfragt wird: man wird für aktuelle gesellschaftliche Fragen, für aktuelle Probleme in Anspruch genommen, ob man sich das nun so vorgestellt hat oder nicht. Mehr lesen

Bamberger Soziologiekongress – auch Splitter, aber subjektiv-reflexiv

Für mich ist der Soziologiekongress spannend. Er ist anstrengend. Ich verbinde ihn mit Vorfreude. Er bedeutet Frustration. Und er bringt mich zum Nachdenken, weil ich dort Strukturen (vor allem Strukturen der Wissenschaft) begegne, auf die ich mit Emotionen reagiere. Eine kleine Selbstbeobachtung.

Bild3Splitter 1. Ja, ich freue mich auf den Kongress. Weil man viele Leute wiedersieht, bei denen es sonst an Gelegenheiten zum Wiedersehen fehlt, und weil man Leute treffen kann, die man schon lange mal in live sehen wollte. Das Ausmaß der damit verbundenen Anstrengung trifft mich dann doch immer wieder etwas unvorbereitet – klar, es gibt da meine allgemeine Disposition, zu viel ununterbrochene Sozialität nicht gut verkraften zu können. Aber anstrengend ist es wohl vor allem wegen der Tendenz meines Hirns, trotz wirklich massiver Geistesarbeit meine Gegenüber immer noch nicht hierarchiefrei denken zu können. Klingt idealistisch, wird aber von der wissenschaftlichen Professionellen erwartet. Mit anderen Worten: manchmal bin ich aufgeregt, manchmal weiß ich nicht, was ich sagen soll (würde aber sehr gerne etwas sehr Schlaues sagen), manchmal muss ich echt gegen den Impuls ankämpfen, mich vor irgendwem zu verstecken (manchmal verliere ich den Kampf, meist aber nur temporär 🙂 ). Mein Wissenschafts-Über-Ich (es hat auch ein Gesicht, aber ich verrate nicht, welches) flüstert mir dann zu, dass das aber gar nicht professorabel ist (muss ich das denn sein? jetzt schon und komplett? frage ich mich erschrocken… Üben, üben, üben, kommt es zurück, oder besser: “be it or leave it!”). Und der abgebrühte Soziologen-Realist blickt mich leicht überheblich von der Seite her an: Boah, Hierarchiefreiheit… wo lebst du denn?! Trotzig flackert es dann in meinem linken Hirnkammerl auf: Und es macht doch einen Unterschied, wie ich den Menschen begegne. Mehr lesen

Warum man gute Politik nicht an ihrem Wahrheitsgehalt erkennen kann

Hier geht es um ein Thema, das mich schon seit einiger Zeit umtreibt. Ein Thema, dem man derzeit überall dort begegnen kann, wo politisch diskutiert wird. Es geht, um damit rauszurücken: um den in der öffentlichen Debatte wie selbstverständlich hergestellten Zusammenhang zwischen Politik und Wahrheit. Ich möchte meinen Beitrag zu diesem Thema mit einer steilen These beginnen. Die gegenwärtige politische Kultur hat nämlich ein Problem (das ist noch nicht die steile These, die kommt jetzt erst). Jenes Problem politischer Kultur liegt jedoch nicht so sehr in unverbrüchlichem Blockdenken zwischen links und rechts begründet, nicht in der fehlenden Bereitschaft zur offenen politischen Debatte, ja, noch nicht einmal (hauptsächlich) in den unvermeidlichen Rufen nach allzu simplen Lösungen für komplexe gesellschaftliche Problemkonstellationen. Das schwerwiegendste Problem gegenwärtiger politischer Kultur  besteht vielmehr in der unhinterfragten Annahme, gute Politik zeichne sich dadurch aus, dass sie die Wahrheit auf ihrer Seite habe. Mehr lesen

Neuerscheinung: Doktorarbeit!

Neuerscheinung

Zum ersten Mal liegt hier eine explizite Analyse politischer Arbeit vor. Jenseits von Politikverständnissen, die sich vornehmlich an Machtprozessen bzw. Entscheidungshandeln orientieren, geht es um die parlamentarische Praxis der Einflussnahme auf gesellschaftliche Wert- und Bedeutungsordnungen: Basierend auf einer Beobachtungsstudie auf vier Parlamentsebenen rekonstruiert die Autorin den dortigen Arbeitsalltag, der bestimmt ist vom Kampf mit der beständig in Parlamenten auftreffenden Themenflut und dem schnellen Wechsel zwischen komplementären Arbeitsformen, mit denen jener Flut beizukommen versucht wird: dem Politischen Spiel, der Themenabfertigung und der Politischen Gestaltung.

Ziel der politischen Arbeit aber ist die Erzeugung symbolischer Evidenz. Jener Qualität also, die Ideen derart mit Bedeutung auflädt, dass sie Massen mobilisieren und Gruppen hinter sich scharen – unsere Sicht auf die Welt also ein Stück weit verändern. Ein Tipp für Wissenschaft und Praxis gleichermaßen!

Das Werk ist Teil der Reihe Studien zur Politischen Soziologie. Studies on Political Sociology, Band 35. Hier erhältlich! Und hier das Inhaltsverzeichnis, wer sich einen Eindruck verschaffen möchte.