Die gesellschaftliche Konstruktion politischer Eliten – ein zweiter Analyseversuch

Schon seit einiger Zeit arbeite ich an der Vorbereitung eines Projekts zu der Frage, welche Vorstellungen sich die Gesellschaft von ihren politischen “Eliten” macht. Aktuell scheint mir dieses Forschungsinteresse dabei relevanter zu sein denn je: Populismen haben Aufwind und damit auch die scharfe Polarisierung “des Volkes” auf der einen, “der politischen Elite” auf der anderen Seite (Spier 2010, S. 21). Wie sieht es aber jenseits der TrägerInnen solcherart populistischer Einstellungen mit unserem Bild von politischen Führungsfiguren aus? Unterscheidet es sich tatsächlich so klar von der populistischen Haltung, dass es als zentrales Definitionsmerkmal des Populismus herhalten kann? Auf der Basis der Standardergebnisse entsprechender Umfrageforschung – in denen BürgerInnen ihren politischen VertreterInnen immer wieder attestieren, “abgehoben” zu sein (vgl. Reiser 2018) – dürfen zumindest Zweifel aufkommen. Um dies genauer zu ergründen, dafür ist das Projekt gedacht.

In Vorbereitung dieses Vorhabens habe ich zwei kleine qualitativ-empirische Vorstudien in Form von Lehrforschungsprojekten durchgeführt: Mehr lesen

Die WAT-Misere oder: wie Wissenschaftliche ArbeitsTechniken lehren?

Neulich habe ich mich mal ein bisschen auf Neuland (oder vielleicht eher Altland?!) gewagt: pünktlich zum Schulanfang am 12.9. habe ich dem Gymnasium Ottobrunn – da bin ich zur Schule gegangen! – einen Besuch abgestattet. Aber beileibe nicht einfach so, aus Nostalgiegründen. Sondern schon im hehren Auftrag der Wissenschaft. Eh klar. Einen Inputvortrag habe ich da nämlich gehalten, zum Thema “Wissenschaftliche ArbeitsDreischritttechniken (WAT) lehren”. Klingt dröge?  Ist aber megawichtig, megaaktuell, und damit irgendwie auch megaspannend.

Was jetzt so ein bisschen nach missionarischem Eifer klingt – man muss das den LehrerInnen an den Schulen doch mal sagen, wie sie das machen müssen! – ist wirklich null Komma null so gemeint. Weil (Achtung, pauschale These): die Leute an den Unis haben doch eigentlich selbst keinen richtigen Plan, was sie da tun. Mehr lesen

Mein Seminar in Kritischer Theorie, Teil 2: zur Stellung der Macht

Im vergangenen Semester habe ich in meinem Kurs zur Kritischen Theorie gemeinsam mit den Studierenden die „Dialektik der Aufklärung“ (DdA) von Max Horkheimer und Theodor Adorno gelesen (hierDdA eine kurze Zusammenfassung zentraler Grundgedanken des ersten Teils, die sich aus dem Seminar heraus ergeben hat). Das war durchaus als Experiment gedacht – nicht nur für die Studierenden, sondern auch für mich: wie viel und wie weit kann ich etwas mit diesem Text anfangen? Viel, hat sich herausgestellt, sehr viel. Es gibt ja solche Texte, bei denen man beim Lesen aus dem Denken nicht mehr rauskommt. Das dauert dann zwar, weil Denken halt immer dauert. Dafür ist es wahnsinnig befriedigend. Aber intellektuelle Befriedigung ist eitel und flüchtig, weshalb ich mich jetzt an meine eigene Hausaufgabe für das Seminar setze und Gedanken (wenn auch kurz, so doch schriftlich), der mir als zentral erscheint, reflektiere: die Stellung der Macht in der “Dialektik der Aufklärung”.
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Mein Seminar in Kritischer Theorie, Teil 1: Lernen durch Zumutung

Im vergangenen Semester habe ich in meinem Kurs zur Kritischen Theorie gemeinsam mit den Studierenden die “Dialektik der Aufklärung” (DdA) von Max Horkheimer und Theodor Adorno gelesen. Das war durchaus als Experiment gedacht – die übliche Reaktion der KollegInnen, denen ich vorab von meinem Vorhaben erzählt habe, war dann auch ein entgeistertes: “Was, mit BachelorstudiDdAerenden?!” Aber was soll ich sagen: das Experiment ist gelungen, das Seminar war wirklich toll – eines der schönsten, das ich bisher gehalten habe. Und dass es so toll war, sagt aus meiner Sicht etwas darüber aus, was Lehre leisten sollte. Ich habe mir gedacht, dazu mache ich mir ein paar schriftliche Gedanken.

Seit ich Dozentin bin, höre ich sehr oft und sehr viele Beschwerden über die Studierenden (derzeit aber doch besonders viele…). Neben Polemiken, die sich nicht scheuen, die Worte Faulheit und Dummheit in den Mund zu nehmen, dominiert vor allem eine Kritik: die Studierenden seien nur noch instrumentell am Studium orientiert. Es ginge ihnen also gar nicht (mehr?) um das Lernen an sich, sondern nur noch um die “Credit-Points”, die sie damit abgreifen können. Ich konnte dieser pauschalen Aussage schon immer wenig abgewinnen – zum Teil, weil ich halt in der Regel einer chronisch positiven Sicht auf die Dinge erliege (außer bei Donald Trump – obwohl: mobilisierender Abschreckungseffekt für Europa… ach, kommen wir nicht vom Thema ab…) zum Teil, weil man doch in wohl fast jedem Seminar sieht, dass das so einfach nicht stimmt: warum sollte irgendjemand auch nur einmal den Finger in einem Kurs rühren und zumindest gelegentlich mitdiskutieren, wenn es dabei rein um den geringsten Aufwand ginge? Die “instrumentelles-Lernen-Theorie” zumindest kann das nicht erklären. Mehr lesen

Die soziale Konstruktion gesellschaftlicher Eliten – ein erster Analyseversuch

Derzeit arbeite ich gerade an der Vorbereitung eines Projekts zur Frage, welche Vorstellungen sich die Gesellschaft von ihren „Eliten“ macht (und was das möglicherweise über jene Gesellschaft aussagt). Diese Vorstellungen unter die Lupe zu nehmen scheint mir dabei momentan wichtiger zu sein denn je: unter Bedingungen komplexer europäischer (und weltweiter) Krisenerscheinungen steigert sich die schon seit geraumer Zeit erkennbare Tendenz zur diskursiven Devaluation gesellschaftlicher Leitfiguren ins Extreme. Wie geschieht dies und warum ist das so? Um einen ersten Zugang zu solchen Fragen zu finden, habe ich in diesem Semester Studierende in zwei Seminaren – eines aus der Perspektive der Wissenssoziologie, eines aus der Perspektive der Elitenforschung – dazu angeleitet, sich mit Kommentaren auf den Facebook-Seiten wichtiger deutscher PolitikerInnen auseinanderzusetzen. Welcher Blick auf politische Eliten manifestiert sich hier? Exemplarisch haben wir uns dazu punktuell vier Seiten angesehen: diejenigen von Bundeskanzlerin Angela Merkel, von Bundesjustizminister Heiko Maas, vom Fraktionschef der grünen Bundestagsfraktion Anton Hofreiter sowie von der nordrheinwestfälischen Ministerpräsidentin Hannelore Kraft. Die folgenden Überlegungen sollen dazu dienen, Ordnung in meine ersten Eindrücke von den in 12 Gruppen-Präsentationen vorgestellten gemeinsamen Analysen zu bringen. (Eine kleine Anmerkung sei mir noch erlaubt, bevor es losgeht: Für Grammatik- und Rechtschreibanomalien in den Materialausschnitten wird keinerlei Verantwortung übernommen…) Mehr lesen