Denken in schmalen Graten

Wie sieht eigentlich Theoriebildung unter ‘postfaktischen’ Bedingungen aus? Oder genauer noch, wie sollte sie unter diesen Bedingungen aussehen, wie muss unsere Art und Weise, Theorie zu betreiben, auf gesellschaftliche Geltungskrisen reagieren? Mit dieser Frage habe ich mich in einem Vortrag bei der Tagung der DGS-Sektion Soziologische Theorie im November auseinandergesetzt. Und weil das mal wieder eine Digitaltagung war, habe ich den Vortrag halt einfach gleich mal wieder aufgenommen. Wen’s interessiert, hier entlang (mit Bitte um Verzeihung fĂĽr die Werbung mit “Trump-Content” 🙂 ):

Parlamentarisch denken, parlamentarisch sprechen

Zum zweiten Mal war ich jetzt zu einem sehr netten Gespräch mit Jan und Leo vom Wissenschaftspodcast “Das Neue Berlin” eingeladen. DafĂĽr musste ich ein bisschen in meinen Erinnerungen an meine Parlamentsstudie kramen, hat aber viel SpaĂź gemacht – und ist auch nicht ganz unaktuell, denke ich. Wer reinhören möchte, gerne:

Chemnitzer Facetten

Es hat ja wirklich nicht so wahnsinnig viel Gutes, dass der diesjährige Kongress der Deutschen Gesellschaft fĂĽr Soziologie digital stattfinden musste. Aber hier und da gab es doch nette Momente, und auĂźerdem waren Henning Laux, Ulf Bohmann und ich “gezwungen” (in dem Sinne, dass wir uns nicht den Unbilden der Technik ausliefern wollten), unseren dortigen Vortrag zu unserem Forschungsprojekt “Chemnitz – Manifestationen des Politischen” vorab als Video vorzubereiten. Jetzt könnte man ihn sich auch hier ansehen:

Demokratische Theorie und demokratische Praxis.

Eine Einladung zur Reflexion

Vortrag gehalten auf der Tagung “Die Fabrikation von Demokratie” am 6. Dezember 2019 in Duisburg.

Einleitung

Die gängigen Theorien der Demokratie befinden sich nicht auf der Höhe der Zeit. So lautete eine der Grundthesen im Aufruf zur Beteiligung an dieser Tagung. Zwar wird weltweit um neue Konzepte und Verfahren gerungen, um die Demokratieentwicklung praktisch voranzutreiben – bisher haben wir ja bereits einiges über entsprechende Versuche gehört: Beteiligungsverfahren, partizipative Ansätze, Mini Publics. Wer dabei aber noch nicht recht mitzuziehen scheint, das sind eben die Theorien. So kann man zumindest die Position der Organisator*innen im Call for Papers zur Tagung verstehen, ich zitiere: Mehr lesen

Die gesellschaftliche Konstruktion politischer Eliten – ein zweiter Analyseversuch

Schon seit einiger Zeit arbeite ich an der Vorbereitung eines Projekts zu der Frage, welche Vorstellungen sich die Gesellschaft von ihren politischen “Eliten” macht. Aktuell scheint mir dieses Forschungsinteresse dabei relevanter zu sein denn je: Populismen haben Aufwind und damit auch die scharfe Polarisierung “des Volkes” auf der einen, “der politischen Elite” auf der anderen Seite (Spier 2010, S. 21). Wie sieht es aber jenseits der TrägerInnen solcherart populistischer Einstellungen mit unserem Bild von politischen FĂĽhrungsfiguren aus? Unterscheidet es sich tatsächlich so klar von der populistischen Haltung, dass es als zentrales Definitionsmerkmal des Populismus herhalten kann? Auf der Basis der Standardergebnisse entsprechender Umfrageforschung – in denen BĂĽrgerInnen ihren politischen VertreterInnen immer wieder attestieren, “abgehoben” zu sein (vgl. Reiser 2018) – dĂĽrfen zumindest Zweifel aufkommen. Um dies genauer zu ergrĂĽnden, dafĂĽr ist das Projekt gedacht.

In Vorbereitung dieses Vorhabens habe ich zwei kleine qualitativ-empirische Vorstudien in Form von Lehrforschungsprojekten durchgefĂĽhrt: Mehr lesen

Warum man gute Politik nicht an ihrem Wahrheitsgehalt erkennen kann

Hier geht es um ein Thema, das mich schon seit einiger Zeit umtreibt. Ein Thema, dem man derzeit überall dort begegnen kann, wo politisch diskutiert wird. Es geht, um damit rauszurücken: um den in der öffentlichen Debatte wie selbstverständlich hergestellten Zusammenhang zwischen Politik und Wahrheit. Ich möchte meinen Beitrag zu diesem Thema mit einer steilen These beginnen. Die gegenwärtige politische Kultur hat nämlich ein Problem (das ist noch nicht die steile These, die kommt jetzt erst). Jenes Problem politischer Kultur liegt jedoch nicht so sehr in unverbrüchlichem Blockdenken zwischen links und rechts begründet, nicht in der fehlenden Bereitschaft zur offenen politischen Debatte, ja, noch nicht einmal (hauptsächlich) in den unvermeidlichen Rufen nach allzu simplen Lösungen für komplexe gesellschaftliche Problemkonstellationen. Das schwerwiegendste Problem gegenwärtiger politischer Kultur  besteht vielmehr in der unhinterfragten Annahme, gute Politik zeichne sich dadurch aus, dass sie die Wahrheit auf ihrer Seite habe. Mehr lesen

Die soziale Konstruktion gesellschaftlicher Eliten – ein erster Analyseversuch

Derzeit arbeite ich gerade an der Vorbereitung eines Projekts zur Frage, welche Vorstellungen sich die Gesellschaft von ihren „Eliten“ macht (und was das möglicherweise ĂĽber jene Gesellschaft aussagt). Diese Vorstellungen unter die Lupe zu nehmen scheint mir dabei momentan wichtiger zu sein denn je: unter Bedingungen komplexer europäischer (und weltweiter) Krisenerscheinungen steigert sich die schon seit geraumer Zeit erkennbare Tendenz zur diskursiven Devaluation gesellschaftlicher Leitfiguren ins Extreme. Wie geschieht dies und warum ist das so? Um einen ersten Zugang zu solchen Fragen zu finden, habe ich in diesem Semester Studierende in zwei Seminaren – eines aus der Perspektive der Wissenssoziologie, eines aus der Perspektive der Elitenforschung – dazu angeleitet, sich mit Kommentaren auf den Facebook-Seiten wichtiger deutscher PolitikerInnen auseinanderzusetzen. Welcher Blick auf politische Eliten manifestiert sich hier? Exemplarisch haben wir uns dazu punktuell vier Seiten angesehen: diejenigen von Bundeskanzlerin Angela Merkel, von Bundesjustizminister Heiko Maas, vom Fraktionschef der grĂĽnen Bundestagsfraktion Anton Hofreiter sowie von der nordrheinwestfälischen Ministerpräsidentin Hannelore Kraft. Die folgenden Ăśberlegungen sollen dazu dienen, Ordnung in meine ersten EindrĂĽcke von den in 12 Gruppen-Präsentationen vorgestellten gemeinsamen Analysen zu bringen. (Eine kleine Anmerkung sei mir noch erlaubt, bevor es losgeht: FĂĽr Grammatik- und Rechtschreibanomalien in den Materialausschnitten wird keinerlei Verantwortung ĂĽbernommen…) Mehr lesen

Im Druck: “Krise des politischen Alltags?”

Der Aufsatz fĂĽr das Sonderheft der Ă–sterreichischen Zeitschrift fĂĽr Soziologie zu “Handlungs- und Interaktionskrisen” geht in den Druck. Hier eine kleine Vor”schau”:

“Wie kommt es, dass sich Politik gemäß der öffentlichen Wahrnehmung in einem permanenten Krisenzustand zu befinden scheint? Auf der Basis einer ethnografischen Studie auf vier parlamentarischen Ebenen geht dieser Beitrag zwei Erklärungsansätzen nach: der These einer durch insuffizientes politisches Personal hervorgerufenen Krise auf der einen Seite, der These der kriseninduzierenden Ăśberlastung des politischen Alltags in inhaltlicher, zeitlicher und normativer Hinsicht auf der anderen Seite. Anhand des empirischen Materials lässt sich zeigen, dass beide Thesen so nicht zutreffen. Stattdessen tritt das Verhältnis von Politik und Ă–ffentlichkeit selbst als Krisenmoment in den Fokus: Erkennbar wird die Diskordanz der Strukturen alltäglicher gegenĂĽber parlamentarischer Lebenswelt, die sich insbesondere in Bezug auf Zeit-, Relevanz- und Interaktionsordnung drastisch unterscheiden. Nicht zuletzt, weil von politischen RepräsentantInnen demokratienormativ genuin Gleichheit erwartet wird, fĂĽhrt diese Diskordanz zu Entfremdungserfahrungen auf Seiten der politisch nicht aktiven Ă–ffentlichkeit, die das Potential fĂĽr eine Krise der Demokratie besitzen.”

Die gesellschaftliche Konstruktion politischer Eliten

Lehrforschungsprojekt

2016-2018, Fortsetzung geplant

Welche Vorstellung macht sich die Gesellschaft von ihren PolitikerInnen? Diese Frage ist zwar prinzipiell für jedes politische System relevant. Gerade aber für Demokratien ist sie von besonderer Bedeutung. Denn diese sind unbedingt darauf angewiesen, dass auch aus Sicht der Bevölkerung ein vitales Verhältnis besteht zwischen ihr selbst und den (Berufs-)PolitikerInnen, die sie repräsentieren sollen. Ist dies nicht der Fall, so steht die Legitimität des gegebenen politischen Systems in Frage, die Demokratie droht in eine Krise zu geraten. Auf der Basis der bisherigen Forschung lässt sich dies allerdings bisher kaum aufklären. Mehr lesen

Fertig, die Doktorarbeit, sie ist fertig!

Im Oktober ist es passiert: Mit zitternden Fingern habe ich die Doktorarbeit in ein pdf verwandelt und zum Druck gegeben. Ein sehr gutes GefĂĽhl, ĂĽber das man gar nicht mehr Worte verlieren muss (vor allem, weil das Loch danach nicht lange hat auf sich warten lassen (jetzt aber zum GlĂĽck wieder ĂĽberschritten ist))… AuĂźer: Wer etwas ĂĽber die Praxis in Parlamenten wissen möchte, muss natĂĽrlich unbedingt diese Arbeit lesen. Bei beginnender Neugierde bezĂĽglich des Inhalts bitte hier klicken.

Nachtrag: Es ist lustig im Juni zu lesen, dass man das Post-Dissertations-Loch bereits im Dezember ĂĽberschritten hat – wo sich doch gerade erst das GefĂĽhl einstellt, so schön langsam vielleicht wirklich wieder einigermaĂźen drauĂźen zu sein…